Verena Kast
Trauer

Die vier Trauerphasen nach Verena Kast!

Trauer nach einer stillen Geburt

Der Verlust eines Kindes durch eine stille Geburt – ein sogenanntes Sternenkind – ist eine der schmerzhaftesten Erfahrungen, die Eltern durchleben können. Diese Trauer wird von der Außenwelt oft kaum verstanden oder anerkannt. Viele Betroffene fühlen sich allein gelassen und glauben, sie müssten ihre Gefühle verstecken und „funktionieren“.

Doch der seelische Schmerz sitzt tief und hinterlässt Narben fürs Leben. Wie soll man um ein Kind trauern, das niemand außer den Eltern wirklich kennengelernt hat?In dieser ausweglos scheinenden Situation kann es helfen zu verstehen, was in der Trauer eigentlich mit einem passiert. Die Schweizer Psychologin Verena Kast hat ein Modell mit vier Phasen der Trauer entwickelt, das zu den wichtigsten Grundlagen im Verständnis von Trauerprozessen zählt.

Dieses Vier-Phasen-Modell nach Verena Kast bietet einen roten Faden, an dem man sich orientieren kann. Auch wenn jeder Mensch individuell trauert und nicht alle genau im gleichen Tempo oder in starrer Reihenfolge durch diese Phasen gehen. Im Folgenden schauen wir uns die vier Trauerphasen nach Verena Kast an und übertragen sie auf das Erleben von Eltern, die ihr Kind vor der Geburt verloren haben. Vielleicht erkennst du dich in manchem wieder und verstehst deine eigene Trauer dadurch besser.

Phase 1 – Nicht-wahrhaben-wollen: Wenn die Welt stillsteht

In dem Moment, in dem du erfährst, dass dein Kind nicht lebend zur Welt kommen wird, bricht eine Welt zusammen. Nichts bereitet einen wirklich auf diese Nachricht vor – sie trifft dich *„wie eine Faust ins Gesicht“*. Oft reagiert der Körper noch bevor der Verstand es begreift. Das Herz rast, man zittert, einem wird übel oder schwindelig. Viele Eltern berichten, sie fühlten sich wie betäubt, konnten nicht weinen, standen unter Schock.

Alles läuft ab wie in einem schlechten Film. Verzweiflung, Hilflosigkeit und totale Fassungslosigkeit herrschen vor – man will es einfach nicht glauben. Vielleicht hoffst du innerlich, gleich aus einem Albtraum zu erwachen. In dieser ersten Phase weigert sich unser Inneres, die Realität zu akzeptieren, weil sie zu grausam erscheint. Dieser akute Schockzustand ist eine Art Schutzmechanismus der Psyche. Er hält die schlimmste Wahrheit zunächst auf Distanz, damit wir sie nicht auf einmal komplett ertragen müssen.

Jeder Mensch reagiert unterschiedlich auf diesen Schock. Manche werden völlig still und ziehen sich in sich zurück, andere brechen zusammen, weinen oder schreien. Wieder andere funktionieren wie ferngesteuert weiter. Informieren die Familie, organisieren Formalitäten – als würden sie das Geschehen von außen beobachten. Egal ob du nach außen gefasst wirkst oder nicht. Innerlich fühlt man sich in dieser Phase meist ohnmächtig. Viele Betroffene beschreiben es, als sei die Welt stehen geblieben in dem Moment, als sie vom Tod ihres Babys erfuhren. Stunden oder Tage können wie im Nebel vergehen, in denen man nur das Nötigste tut und das Geschehene noch nicht wirklich zu sich vordringen lässt.

“Nein, das kann nicht sein! Das darf nicht wahr sein!” Solche Gedanken schießen einem immer wieder durch den Kopf. Es ist wichtig zu wissen. Diese Reaktion ist normal. Die Realität des Verlusts nicht wahrhaben zu wollen ist der verzweifelte Versuch des Geistes, den unbegreiflichen Schmerz aufzuschieben. Diese erste Phase kann sehr kurz sein oder auch mehrere Wochen andauern, besonders wenn der Verlust ganz plötzlich kam. Sie endet oft erst, wenn die Wahrheit nach und nach ins Bewusstsein durchsickert. Etwa wenn man das stille Kind zur Welt bringt und sieht, dass es tatsächlich gegangen ist. Dieser Moment der Konfrontation kann unendlich weh tun, doch er ist auch der erste Schritt aus der Starre heraus.

Phase 2 – Aufbrechende Emotionen: Wenn Schmerz und Wut hochkommen

Sobald die schützende Schockstarre nachlässt, brechen überwältigende Gefühle aus einem heraus. Jetzt wird die tiefe Traurigkeit wirklich spürbar. Und mit ihr ein ganzes Chaos weiterer Emotionen. Viele Eltern berichten von einem regelrechten Wechselbad der Gefühle. Abgrundtiefer Schmerz, Verzweiflung, Sehnsucht, aber auch Wut auf das ungerechte Schicksal, das ihnen ihr Kind genommen hat. Vielleicht fragst du dich zornig: “Warum musste es ausgerechnet uns treffen? Womit haben wir das verdient?” Solche Fragen sind typisch und verständlich.

Die Welt scheint voller glücklicher Eltern mit Babys, und du fühlst dich vom Leben betrogen. Es kann sein, dass du wütend auf andere wirst. Auf Ärzte, die nichts tun konnten, auf Freunde, die unbedacht reagieren, sogar auf unbeteiligte Schwangere, die dich an dein verlorenes Glück erinnern. Einige richten die Wut auch gegen sich selbst oder ihren Körper: “Hätte ich etwas anders machen können? Bin ich schuld?” – solche quälenden Schuldgefühle sind in dieser Phase häufig. Genauso gut kann die Wut sich gegen höhere Mächte richten. Manche schimpfen auf Gott oder das Schicksal. All das sind normale Reaktionen in Phase 2.

Neben der Wut kommen natürlich immer wieder überwältigende Trauer und Sehnsucht. Die Leere im Herzen wird plötzlich greifbar. Zum Beispiel, wenn man nach der Entbindung nach Hause kommt und das vorbereitete Kinderzimmer leer vorfindet. In einem Moment weinst du vielleicht hemmungslos, im nächsten fühlst du dich völlig erschöpft und leer. Dieses emotionale Auf und Ab kann beängstigend sein, doch es gehört zum Prozess der Trauer. Die Psyche arbeitet daran, die Realität des Verlustes zu „verdauen“, indem sie schubweise Gefühle hochkommen lässt. Viele Trauernde erleben in dieser Zeit auch körperliche Symptome: Schlafstörungen, Appetitlosigkeit, Unruhe oder anhaltende Erschöpfung sind nichts Ungewöhnliches.

Wichtig in dieser Phase ist, sich die Gefühle zu erlauben. So schwer es fällt – Schmerz, Wut, Verzweiflung müssen raus. Wenn du schreien oder weinen musst, ist das okay und sogar heilsam. Manche haben Angst, “die Kontrolle zu verlieren” oder “verrückt zu werden” vor Kummer. Doch unterdrückte Gefühle können innerlich großen Schaden anrichten. Sie verschwinden nicht, sondern nagen weiter und können auf Dauer zu Depressionen führen. Leider spüren viele Eltern gesellschaftlichen Druck, ihre Trauer zu verstecken. Vielleicht hast du den Eindruck, nach außen stark sein und möglichst schnell wieder “normal funktionieren” zu müssen.

Viele Betroffene gehen eine Zeit lang wie auf Autopilot durch den Alltag, tun was getan werden muss und halten ihre Fassade aufrecht. Dieser funktionale Modus kann kurzfristig helfen, aber er lässt dich innerlich erstarren. Wenn man sich nur in Arbeit oder Pflichten stürzt, um nichts fühlen zu müssen, blockiert man den Verarbeitungsprozess und bleibt letztlich in der Trauer stecken. Dauerhaft weglaufen kann man vor den Gefühlen nicht. Früher oder später fordern sie Raum – und es ist gesund, ihnen diesen Raum zu geben. Vielleicht bedeutet das, dass du dich für eine Weile zurückziehst, Besuche absagst oder dir professionelle Hilfe suchst, um all das Herausbrechende zu sortieren. Das Gefühlschaos der zweiten Phase hält bei vielen einige Wochen oder Monate an. Es wird nicht von Tag X auf einmal “besser”, sondern flaut langsam ab – wie ein Sturm, der allmählich an Kraft verliert.

Phase 3 – Suchen und Sich-Trennen: Zwischen Festhalten und Loslassen

Irgendwann nach den ersten Monaten voller akuter Gefühlsstürme kommt die Trauer in ruhigeres, aber tiefgründiges Fahrwasser. Phase 3 wird von Verena Kast als “Suchen und Sich-Trennen” beschrieben. Dahinter steckt ein scheinbarer Widerspruch: Man klammert sich innerlich noch an das verlorene Kind, sucht es überall – und muss es doch Schritt für Schritt loslassen. Dieser Prozess ist meist der längste und kann sich über viele Monate bis Jahre hinziehen. Er ist weniger wild nach außen hin, aber innerlich sehr intensiv.

Beim Suchen drehen sich die Gedanken unaufhörlich um das verstorbene Baby. Eltern durchleben in Gedanken immer wieder die Schwangerschaft und die Geburt, auf der verzweifelten Suche nach Antworten: Warum ist das passiert? Hätte man es verhindern können? Manchmal versucht man, dem Verlust einen Sinn zu geben – etwa indem man nach medizinischen Erklärungen recherchiert oder geistigen Trost sucht. Vor allem aber sucht das Herz nach dem Sternenkind selbst. Man sucht die Nähe seines Sternenkindes, obwohl man weiß, dass es gegangen ist. Zum einen geschieht das in der Erinnerung: Alle greifbaren Erinnerungsstücke werden unheimlich wichtig. Fotos, Ultraschallbilder, das Kuscheltier, das man fürs Baby gekauft hatte – all diese Dinge haben jetzt unschätzbaren Wert.

Eltern klammern sich an gemeinsame Erlebnisse, mögen sie auch noch so wenige gewesen sein, und sammeln sie wie kostbare Edelsteine. Vielleicht schreibt ihr die wenigen Momente mit eurem Kind auf, führt ein Tagebuch oder gestaltet ein Erinnerungsalbum – solche kreativen Tätigkeiten sind Wege, dem geliebten Kind nahe zu sein und es nicht verblassen zu lassen. Viele Mütter und Väter führen auch innere Zwiegespräche mit ihrem verstorbenen Baby. Man spricht in Gedanken zu ihm, stellt sich vor, was es antworten würde, oder schreibt ihm Briefe.

Durch diese intensiven inneren Begegnungen kann es tatsächlich Momente geben, in denen man das Gefühl hat, dem Kind noch einmal ganz nahe zu sein – sei es in Träumen oder in stillen Augenblicken, in denen die Präsenz des Kindes fast spürbar ist. Das ist schmerzhaft und schön zugleich: schön, weil die Liebe weiterlebt und man das Gefühl hat, das Kind doch noch irgendwie bei sich zu haben; schmerzhaft, weil diese Begegnungen eben nur innere Bilder sind und einem jedes Mal bewusst wird, dass das Kind nicht zurückkommen wird.

Parallel zu diesem Suchen läuft das schrittweise Loslassen – das “Sich-Trennen”. Das bedeutet nicht, dass man das Kind vergisst oder die Liebe aufgibt, im Gegenteil. Loslassen heißt hier: Das, das eigene Leben weitergehen darf. Dieser Teil der Trauer ist unheimlich schwer. Es kann sich anfühlen, als würde man sein Kind erneut verlieren. Wenn man beispielsweise beginnt, das Kinderzimmer wieder abzubauen, Babykleidung wegzupacken oder wieder Arbeiten zu gehen. Viele Eltern pendeln in dieser Phase ständig hin und her. Ein Tag scheint relativ “normal” zu verlaufen, am nächsten Tag stürzt man wieder in tiefe Verzweiflung und möchte sich nur noch verkriechen. Die “Suchen”-Phase und die “Loslassen”-Phase wechseln sich ab, oft auch mehrmals. Das ist ein natürlicher Weg der Seele, sich langsam auf die neue Realität einzustellen.

Verena Kast beschreibt, dass in dieser Phase häufig ein innerer Kampf stattfindet: Irgendwann kommt der Augenblick, in dem man die innere Entscheidung trifft, wieder Ja zum Weiterleben zu sagen – oder aber in der Trauer zu verharren. Dieser Wendepunkt geschieht oft nicht bewusst an einem bestimmten Tag, aber allmählich reift in einem die Erkenntnis, dass das Leben trotz allem weitergeht. Manche Eltern spüren vielleicht, dass ihr Sternenkind gewollt hätte, dass Mama und Papa weiterleben und auch wieder lachen dürfen. Solche Gedanken können helfen, langsam aus der Dunkelheit herauszufinden.

Dennoch ist Phase 3 auch von Rückschlägen geprägt. Tiefe Verzweiflung kann gerade in dieser Zeit immer wieder aufflammen, wenn das “Loslassen” zu weh tut. Nicht selten fühlen Trauernde sich so hoffnungslos, dass sogar suizidale Gedanken auftauchen. Wenn das bei dir der Fall ist, erschrick nicht – aber hol dir unbedingt Hilfe. Solche dunklen Gedanken bedeuten nicht, dass du wirklich sterben willst; sie zeigen nur, wie unerträglich der Schmerz manchmal wird. In dieser Phase ist es besonders wichtig, geduldige Unterstützung zu haben, sei es durch liebe Menschen oder professionelle Trauerbegleitung, um diese Schwankungen auszuhalten.

Nach und nach werden die Abstände länger, in denen einen die Trauer komplett überwältigt. Die Suche tritt leiser in den Hintergrund, und kleine Schritte ins “normale” Leben fühlen sich nicht mehr ganz so falsch an. Vielleicht entdeckst du irgendwann, dass dir wieder Dinge Freude machen dürfen, ohne dass es sich wie Verrat an deinem Kind anfühlt. Das Loslassen vollzieht sich in vielen kleinen Etappen: Jeder Tag, an dem du wieder am Leben teilnimmst – sei es ein Treffen mit Freunden, ein Hobbyausflug oder ein erster herzlicher Lacher – ist ein Teil dieses Loslassens und zugleich ein Zeichen, dass du dein Kind auf eine neue Weise bei dir trägst. Phase 3 geht allmählich in Phase 4 über, wenn das Ja zum Leben wieder überhand gewinnt.

Phase 4 – Neuer Selbst- und Weltbezug: Zurück ins Leben mit dem Verlust

Am Ende des Trauerprozesses nach Verena Kast steht die Phase des „neuen Selbst- und Weltbezugs“ – man könnte auch sagen: die Phase der Neuorientierung. Diese beginnt schleichend, oft ohne dass man den genauen Übergang bemerkt. Irgendwann stellst du fest, dass die immerwährende Traurigkeit sich gelindert hat. Nach all den Tränen, dem Schreien, der Wut und Verzweiflung kehren langsam Frieden und innere Ruhe zurück. Das heißt nicht, dass du nicht mehr trauerst – Traurigkeit wird vielleicht immer ein Grundton in deinem Leben bleiben.

Aber sie ist nicht mehr überwältigend in jedem Moment. Du hast gelernt, mit diesem Verlust zu leben. Dein verstorbenes Kind hat jetzt einen festen Platz in deinem Herzen, ohne dass die Trauer um es dein gesamtes Leben bestimmt. Viele Eltern sagen: “Unser Kind bleibt immer Teil der Familie, nur eben unsichtbar.” Genau das beschreibt diese Phase: Der Verstorbene bleibt ein Teil des Lebens und lebt in den Erinnerungen weiter, aber gleichzeitig richtet man den Blick wieder nach vorn.

In Phase 4 vollzieht sich eine Neuausrichtung des eigenen Lebens. Du beginnst, neue Pläne zu schmieden – vielleicht wagst du irgendwann erneut eine Schwangerschaft oder entscheidest dich für einen anderen Lebensweg, der dir Erfüllung gibt. Auch die Einstellung zum Leben insgesamt hat sich vermutlich durch den Verlust verändert. Viele Trauernde berichten, dass sie Werte und Prioritäten nun anders setzen. Man erkennt, wie kostbar und zerbrechlich das Leben ist, und lebt bewusster. Was andere Leute denken, wird unwichtiger; welche Menschen wirklich zu einem halten, dafür ist man umso dankbarer. Kurz gesagt: Man ist nicht mehr derselbe Mensch wie vorher. Diese neue Identität formt sich nach und nach aus der Erfahrung des Verlusts.

Oft entwickelt sich daraus sogar etwas Bedeutungsvolles: Manche Eltern engagieren sich in Selbsthilfegruppen für verwaiste Eltern, gründen einen Blog, schreiben ein Buch oder werden kreativ, um ihre Erfahrungen mit anderen zu teilen. Das, was du in Phase 3 vielleicht begonnen hast – Schreiben, malen, etwas mit deinen eigenen Händen erschaffen – kann jetzt zu einer echten Brücke ins Leben werden. Kreatives Schaffen hilft vielen Menschen, ihrer Liebe und Erinnerung einen Ausdruck zu geben und daraus Kraft für die Zukunft zu schöpfen. So wird aus dem Schmerz langsam etwas Neues geboren: vielleicht neues Selbstvertrauen, neue Verbindungen zu anderen Betroffenen, oder einfach eine neue innere Stärke, weil man das Schlimmste überlebt hat.

In dieser vierten Phase merkst du auch, dass deine Energie zurückkehrt. Trauer verbraucht unheimlich viel Kraft – oft mehr, als man selbst bemerkt. Wenn die Trauerarbeit weit fortgeschritten ist, wird spürbar mehr Raum frei für Lebensfreude, Konzentration und Leistungsfähigkeit. Du kannst wieder ohne schlechtes Gewissen von Herzen lachen und schöne Momente genießen. Das Leben gewinnt wieder an Farbe, auch wenn ein Schatten immer bleiben mag. Viele Eltern empfinden an diesem Punkt nicht mehr hauptsächlich Schmerz, wenn sie an ihr verstorbenes Kind denken, sondern liebevolle Verbundenheit.

Natürlich gibt es auch in Phase 4 noch traurige Tage. An Geburtstagen des Sternenkindes, an Jahrestagen oder in besonderen Augenblicken kann die Wunde wieder aufbrechen. Doch das sind Trauerwellen, die man mittlerweile zu surfen gelernt hat – sie werfen einen nicht mehr völlig aus der Bahn. Man weiß jetzt: Es ist okay, wenn die Trauer sich hin und wieder meldet; sie ist ein Zeichen der Liebe. Und genauso okay ist es, weiterzuleben und sogar glücklich zu sein, ohne das Sternenkind zu vergessen.

Die Theorie wirkt auf den ersten Blick vielleicht trocken. Damit es greifbarer wird, habe ich dazu ein Video aufgenommen. Darin erkläre ich dir die vier Phasen Schritt für Schritt und gebe Beispiele, wie man sie im Alltag wiedererkennen kann.

Fazit: Trauer, die bleibt – Liebe, die trägt

Die vier Phasen nach Verena Kast beschreiben einen Weg durch die Trauer, den viele Hinterbliebene so oder ähnlich erleben. Aber es ist wichtig zu betonen, dass Trauer kein starres Schema ist. In Wirklichkeit verläuft Trauer nicht linear von Phase 1 bis 4, sondern in einem ständigen Auf und Ab. Gerade am Anfang pendelt man oft zwischen Schock und Gefühlsausbrüchen hin und her, später vielleicht zwischen der dritten und vierten Phase.

Jeder Mensch findet in seinem eigenen Tempo voran. Manche brauchen länger Zeit, andere können sich früher wieder auf Neues einlassen. Studien zeigen, dass es bei schweren Verlusten durchaus mehrere Jahre dauern kann – oft 3 bis 5 Jahre –, bis Trauernde sich seelisch wieder relativ stabil und lebensfroh fühlen. Und selbst dann ist die Traurigkeit nicht “weg”, sondern in abgeschwächter Form weiterhin Teil des Lebens.

Für Eltern eines Sternenkindes gilt das ganz besonders: Man vergisst sein Kind nie, egal wie viel Zeit vergeht. Die Trauer wandelt sich mit der Zeit, doch sie endet nie vollständig – weil die Liebe zu diesem Kind nie endet. Das klingt vielleicht traurig, aber darin liegt auch ein Trost: Dein Kind bleibt ein Teil von dir, für immer. In deinen Erinnerungen, in deinem Herzen, in den Spuren, die es in deinem Leben hinterlassen hat. Du darfst dieses Kind betrauern und lieben, solange du lebst. Gleichzeitig darfst du lernen, weiterzuleben, ohne Schuld und ohne das Gefühl, dein Sternenkind zu verraten. Trauer ist die Kehrseite der Liebe – und wer trauert, beweist damit, wie wichtig der verlorene Mensch (oder in diesem Fall das kleine Sternenkind) war und ist.

Am Ende dieses langen Trauerweges steht kein „altes Normal“ mehr, sondern ein neues Leben mit dem Verlust. Du hast dann erfahren, dass man eine solche Katastrophe überstehen kann. Aus der anfänglichen Ohnmacht und dem Rückzug bist du durch Wut und Tränen gegangen, hast dich Stück für Stück ins Leben zurückgekämpft. Du hast gelernt, mit dem Verlust zu leben, und vielleicht sogar, ihn in etwas Sinnvolles zu verwandeln – sei es durch neue Beziehungen, kreatives Schaffen oder eine veränderte Lebenseinstellung.

Dieser Prozess ist schmerzhaft und braucht Zeit, aber er führt dazu, dass die Trauer nicht mehr nur dunkler Schmerz ist, sondern auch liebevolle Erinnerung. Dein Sternenkind wird immer Teil deiner Geschichte sein, und durch die Trauer hindurch findest du hoffentlich eines Tages zurück zu Licht, Hoffnung und neuer Lebensfreude – im Wissen, dass die Liebe zu deinem Kind in dir weiterlebt.

FAQ – Verena Kasts vier Trauerphasen, verständlich erklärt

Kurze, tragfähige Antworten zu Kasts Modell – übersetzt für Sternenkinder und stille Geburt, mit Blick auf Mütter und Väter.

Vier typische Reaktionsräume: Schock/Nicht-wahrhaben-wollen, aufbrechende Emotionen, Suchen & Loslösen, neuer Selbst- und Weltbezug. Es sind wiederkehrende Zustände, kein starres Nacheinander.

Nein. Trauer schwingt. Du kannst Elemente aus mehreren Phasen am selben Tag erleben. Das ist normal und kein Rückschritt.

Die Doppelrealität aus Wochenbett und Abschied verstärkt Schock und Emotion. Hilfreich ist Dosis: erst Hülle (Wärme, Wasser, Schlaf), dann Nähe in kleinen Fenstern – mit bewusstem Ausstieg.

Atmen länger aus als ein, hinsetzen, Wasser trinken, klare Sätze einfordern, Zusammenfassung zum Mitnehmen, Zweittermin vereinbaren. Keine Schnellentscheidungen, solange keine akute Gefahr besteht.

Mit Buchstützen: benennen – drei ruhige Ausatmungen – kurzes Zeitfenster – bewusst schließen – danach etwas Nährendes (Tee, frische Luft, kleine Aufgabe). Lieber kurz & wiederholbar als selten & zu tief.

Loslösen meint: die Form der Beziehung wandelt sich. Continuing Bonds helfen: Name, kleines Ritual, Ort, Brief – mit Ein- und Ausstieg. Nähe ja, aber dosiert und alltagsverträglich.

Mehr Rhythmus, tragfähiger Schlaf, wärmere Erinnerungen, Entscheidungen nach Werten statt Vermeidung. Schmerz bleibt, ist aber eingebunden. Der Name darf fallen, ohne den Tag zu zerreißen.

Es beschreibt Erleben gut, sagt aber wenig über Dosierung, Körperregulation und medizinische Traumata. Ergänze um Körperkompass (Atmung, Blick, Muskeltonus) und traumasensible Buchstützen.

Kast beschreibt das Erleben, Worden gibt Aufgaben, das Dual-Prozess-Modell liefert den Takt (Pendeln zwischen Nähe und Funktion). Zusammen wird es praktikabel.

Körpernah beginnen: Wärme, Dusche, Tuch, ruhiger Atem; kurze Nähefenster (Foto, Satz, Kerze), danach Essen, Trinken, ein paar Schritte. Wochenbett ist Trauer-Hülle, kein Nebenthema.

Rhythmus + Sprache: feste Runde, Handgriff, Ordnung – und zwei Sätze täglich („Ich bin traurig, und heute kümmere ich mich um …“). Organisation ist Fürsorge – plus benannte Nähe.

Ja. Musik, Jahreszeiten, Orte können Erregung heben. Plane Rückwege: Blick heben, drei Ausatmungen, kurzes Nähefenster, klares Schließen, danach etwas Nährendes. Wetter, nicht Treppe.

Nach der Nähe wird die Ausatmung länger, der Blick weiter, der Körper weicher. Wenn du enger, härter, atemloser bleibst, war es zu viel oder in der falschen Form – kleiner werden, Co-Regulation suchen.

Phase-Sprünge sind erwartbar: Schock bei Kontrollen, starke Emotion vor Terminen, Suche nach Halt. Arbeite mit festen Abläufen, kurzen Nähefenstern fürs Sternenkind und klaren Ausstiegen nach Terminen.

Wenn über Wochen Schlaf, Appetit, Antrieb nicht stabil werden, intrusive Bilder/Panik anhalten, Betäubung dominiert oder Hoffnungslosigkeit groß wird. Hilfe strukturiert Sicherheit, Dosis, Tempo.

One comment on “Die vier Trauerphasen nach Verena Kast!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert